„Das Meer - Das Deutsche Meer“
Verlag Ludwig Simon, Berlin GW11, erschienen ca. 1935

Mitarbeiter Fritz W. Schulz hat ab Seite 115-120 den Artikel „Wie sprechen Schiffe miteinander?“ verfasst.
Eine Geschichte über Morsezeichen, Rufen, Flaggensignale, bei einem Spaziergang in Cuxhaven fallen Fritz Flaggenzeichen auf und er sinniert über deren Bewandtnis.

Wir stehen an der „Alten Liebe“ in Cuxhaven und beobachten das Auslaufen eines Amerikadampfers. Da steigt an seinem Mast ein lustiger rot- und weißgestreifter Wimpel empor, dem bald drei bunte Fähnchen folgen. Wir denken zunächst an eine Spielerei und unterhalten uns darüber, daß die Besatzung eines eben auslaufenden Ozeandampfers wohl eigentlich Besseres zu tun haben sollte. Dabei belehrt uns ein zufälliger Blick auf die hinter uns liegende Signalstation, daß da genau der gleiche rotweiße Wimpel und drei bunte Fähnchen flattern – darunter scheint ja sogar die französische Trikolore zu sein! An einem deutschen Flaggenmast“ Das geht uns doch etwas gegen den Strich.

Den Ozeandampfer können wir nicht erreichen, also marschieren wir kurz entschlossen zur Signalstation und befragen einen Matrosen, was das eigentlich zu bedeuten habe.

Der Mann kriegt so´n Büschen komischen Gesichtsausdruck und erklärt uns, daß es sich um einen Signalwechsel handle.

Natürlich wollen wir dessen Inhalt wissen; da erfahren wir nun, daß die Station dem Dampfer „Glückliche Reise“ gewünscht und dieser sich daraufhin für den Abschiedsgruß bedankt hat. Dann lächelt der Matrose nochmal so´n büschen und verschwindet in dem für uns verbotenen rotweiß gestreiften Signaltürmchen.

Wir sind zwar etwas klüger geworden, nehmen unsere ketzerischen Gedanken über Fähnchenspielerei abreisender Seeleute reumütig zurück – aber dann regt sich Wißbegier. Hin zu einem Lotsen, der muß uns unterrichten.

Lotsen gibt es nun bei der „Alten Liebe“ genug. Bald haben wir einen fest, und hinterm Glase Grog (der kann ruhig noch´n büschen nöhrdlicher ßain) erfahren wir mehr, als wir auf einmal verdauen können. Ein Glück, daß diese Hünen von der Wasserkante so schön langsam und deutlich sprechen, und daß wir einen gefaßt haben, der uns auch gleich einen kleinen geschichtlichen Überblick geben kann.

Also: früher, als die Schiffe noch klein waren, haben sich die Seeleute mit der Stimme verständigen können, denn die kleinen Schiffe konnten sich einander gefahrlos bis auf Rufweite nähern. Auch hat man sich wohl durch Winken mit der Hand manche Nachricht gegeben.

Als die Schiffe größer wurden und sich nicht mehr so nahe kommen durften, verstärkte man die Stimme durch das Sprachrohr, das in verbesserter Form als Megaphon heute noch im Gebrauch ist, und benutzte als Winkzeichen ein Tuch oder dergleichen.

Damit waren nun die Verständigungsmittel eigentlich schon eingeteilt in sichtbare (optische) und hörbare (akustische), und das Wort „Signal“ ließ auch nicht mehr lange auf sich warten.

Die beiden Signalmittel wurden weiterhin verbessert: Die Lautzeichen durch Verwendung von Hörnern oder anderen lauttönenden Blasinstrumenten zu denen nach der Erfindung des Schießpulvers der Böller- und Kanonenschuß und noch später die Dampfpfeife kamen. Die Sichtzeichen nahmen die Form von mit der Hand geschwungenen Flaggen an, die als „Winkerflaggen“ noch heute Verwendung finden, besonders auf Kriegsschiffen.

Natürlich waren alle diese Signale nur dann als solche brauchbar, wenn man sich über die Bedeutung bestimmter Tonfolgen oder Winkzeichen vorher verständigt hatte. Das konnte naturgemäß nur immer zwischen Schiffen derselben Reederei oder miteinander befreundeter Kapitäne oder auch zwischen den Kriegsschiffen einer Nation der Fall sein. Mit fremden Schiffen war mit dessen einfachen Mitteln ein Signalverkehr nicht möglich.

Bei Kriegsschiffen hatte sich schon vor etwa 200 Jahren ein Signalsystem unter Verwendung verschiedener Flaggen herausgebildet (auch die alten Römer und die Phönizier scheinen dies gehabt zu haben), doch galten diese Nachrichten- und Befehlsübermittlungen ebenfalls immer nur innerhalb einer Flotte, waren inhaltlich rein militärischen Charakters, wurden streng geheim gehalten und blieben aus diesen Gründen für die Handelsschiffe als weltgültiges Verständigungsmittel völlig ungeeignet.

So bestand denn der ganze Verkehr zwischen Schiffen auf hoher See im Gruß mit der Flagge, dem sogenannten „Dippen“, und im gegenseitigen Besuch im Boot (wenn es das Wetter zuließ), um mündlich in Verkehr zu treten. Andernfalls zogen die Schiffe stumm aneinander vorüber. Als einziges allgemeines Signal galt schon von alters her das Notzeichen: die verkehrt gehißte oder verknotete Nationalflagge.

Der immer mehr sich ausdehnende Schiffsverkehr aller Nationen erforderte aber ein allen verständliches Signalsystem, und mancher kluge Kopf mag sich um ein solches bemüht haben. Aber erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts brachte der englische Kapitän Marryat die einzig mögliche Lösung. Er erfand zehn Flaggen in Farben und Formen verschieden, die er in Gruppen zu ein, zwei und drei zusammenstellte.

Es war nicht ganz einfach, solche Flaggen zu entwerfen. Zunächst durften sie mit keiner Nationalflagge vertauscht werden können. Dann mußten es solche Farben sein, die bei größeren Entfernungen, bei unsichtigem Wetter usw. nicht miteinander verwechselt werden konnten.

So entstanden dreieckige (Wimpel), rechteckige (Flaggen) und rechteckige mit ausgefärbter Seite (Stander), als Farben wurden Weiß, Gelb, Rot, Bau, Schwarz verwandt. Jede Gruppe hatte eine bestimmte Bedeutung, die ein für allemal feststand. Es handelte sich um im Seewesen häufig gebrauchte Sätze. Er konnte mit seinen Flaggen sechstausend verschiedene Signale geben.

Die englische Regierung erkannte schnell den Wert dieser neuen Verständigung. 1854 kaufte sie Marryats neue Erfindung, die er in einem „Signalbuch“ niedergelegt hatte, auf, fügte seinen zehn noch weitere acht Flaggen hinzu, rüstete ihre über die Welt verstreuten Küstensignalstationen damit aus und zwang durch ein Gesetz sämtliche englischen Schiffe, die neue Signaleinrichtung (Buch und Flaggen) an Bord zu führen und natürlich auch zu benutzen.

Die anderen Seeleute sahen den Vorteil dieses Verfahrens bald mit eigenen Augen, und im Jahre 1867 schloß sich Deutschland der von England vorgeschlagenen internationalen Signalregelung als erster Staat an. Die übrigen seefahrenden Nationen folgten nach und nach, und bald konnten die Schiffe von neunundzwanzig Staaten nach dem Marryatschen System miteinander in Signalverkehr treten. 1901 wurde das Verfahren nochmals erweitert und in seine heutige Form gebracht. Man hat jetzt sechsundzwanzig Flaggen, mit denen man 385 000 (dreihundertfünfundachtzigtausend, die Zahl ist kein Druckfehler!) Signale geben kann.

Wie werden nun die Flaggen benutzt? Wie kommt es, daß z.B. ein schwedisches und ein spanisches Schiff nach diesem System einander „sprechen“ können, ohne gegenseitig ihre Sprache zu verstehen?

Die Flaggen sind mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnet. Die Signale bestehen aus einer, zwei, drei oder vier Flaggen, die übereinander an einer Leine gehißt werden. Es sind sogenannte „Satzsignale“. Jede Zusammensetzung bezeichnet immer denselben Satz, z.B. „Ja“ (Flagge C) oder „Zeigen Sie Ihre Nationalflagge“ (DB) oder „Ich danke“ (XOR) oder „Hamburg“ (UCLB). Die Signale sind in Unterabteilungen eingeteilt: Not- und Gefahr-, Aufforderungs-, Kompaß-, Kurs-und gewöhnliche Signale.

Die siebenundzwanzigste Flagge ist der sogenannte Signalbuchwimpel, ein langer senkrecht rot- und weißgestreifter Wimpel, der als Eröffnung-, Schluß-, und Worttrennungs- usw. Signal eine wichtige Rolle spielt, und der uns schon bei den Signalen zwischen Küste und Dampfer auffiel. Da das Signalbuch restlos alle Sätze enthält, die im Seeleben vorkommen, so können sich zwei Schiffe mit seiner Hilfe völlig unterhalten; nötig ist nur die Kenntnis der Buchstabenbedeutung der einzelnen Flaggen. Zum Beispiel ein deutsches Schiff setzt „BD“ (Welches Schiff ist das?). So findet der Engländer in seinem Buch für die Buchstaben-Flaggen die entsprechende Frage in seiner Sprache! Da nun jedes Schiff auf dem weiten Ozean sein bestimmtes „Erkennungssignal“ hat (ebenfalls aus diesen Flaggen bestehend), so braucht es nur dieses als Antwort zu setzen und der Frager ist befriedigt, denn er hat natürlich das Register der Schiffe an Bord und braucht nur nachzuschlagen. Außerdem können die Flaggen (nach dem Vorsignal „Signalbuchwimpel“ Flagge E) mit ihrer Buchstabenbezeichnung auch zum regelrechten Buchstabieren benutzt werden, auch Zahlen können sie bedeuten.

Das Marryatsche Signalsystem wird also allen Anforderungen gerecht, mit einer Ausnahme: Es ist nur am Tage und bei guter Sicht bis zur Entfernung von ungefähr zwei Seemeilen anwendbar.

Auf größere Entfernungen benutzt man die „Fernsignale“. Sie werden zusammengestellt aus Bällen, Wimpeln und einer in der Mitte zusammengebundenen Flagge. Mit diesen Signalen kann man sich am Tage auf ziemlich große Entfernungen verständigen. Nachts hilft man sich mit Lichtern, die als offene, häufig farbige Fackeln oder in Form von Laternen, auch mehrfarbig, benutzt werden. In neuerer Zeit hat man für die Dunkelheit das Signalisieren nach dem Morsesystem eingeführt, mit langen und kurzen Lichtblinken, entsprechend den Strichen und Punkten des aus der Telegraphie bekannten Morsealphabets. Es gibt dazu besondere „Morselampen“.

Nicht eigentliche Signale, vielmehr schon Seezeichen, werden bei bestimmten Gelegenheiten oder von bestimmten Schiffen geführt. So führen Segelschiffe nur ein rotes „Backbord“ und ein grünes (Steuerbord) sogenanntes Positionslicht. Ein Dampfer hat in der Mitte, überhöht, außerdem ein weißes Licht zu führen; wenn er schleppt, deren zwei, ist er sehr groß, muß er ein zweites Licht am hinteren Mast zeigen. Zwei grüne Zylinder an einer Küstensignalstation bedeuten: „Hindernis im Fahrwasser“, ein schwarzer Ball im Vormast (nachts ein rotes Licht ebenda) bedeutet: „Ich habe Wegerecht“, d.h. dem betreffenden Schiff muß von jedem ausgewichen werden. Es würde zu weit führen, alle diese Zeichen hier aufzuführen.

Die bisherigen optischen Signale dienten dem Verkehr zwischen Schiff und Land oder zwischen Schiff und Schiff Es soll nun eine andere Art optischer Signale erwähnt werden, die nicht wie die bisher genannten Erwiderungen erfordert: die Wettersignale. Windstärken, Windrichtungen, atmosphärische Störungen und im Anzug befindliche Stürme werden von den Küstensignalstationen in Zusammenarbeit mit den meteorologischen Stationen gegeben und hängen so lange aus, wie es nach der Wetterlage erforderlich ist.

Von den Schallsignalen ist das bekannteste wohl das „Nebelhorn“. Es kommt als solches wohl nur an Küstenstationen, Leuchttürmen usw. vor. Dampfer benutzen für diesen Zweck die Dampfpfeife, für die die Regel gilt: Je größer das Schiff, desto tiefer der Ton der Pfeife.

Segelschiffe benutzen ein mit dem Munde geblasenes Horn oder ein wie eine Autohupe mechanisch betätigtes Nebelsignal.

Die Vorschrift besagt, daß neben Verminderung der Fahrgeschwindigkeit in bestimmten Zwischenräumen, z.B. jede Minute, das Nebelhorn zu betätigen ist. Leider ist seine Wirkung gering, da der Nebel den Schall stark dämpft und außerdem den Ort seiner Herkunft nicht nur im unklaren läßt, sondern über ihn sogar schon oft verhängnisvoll gewordene Täuschungen verursacht hat. Man sollte nicht vergessen, daß es auf See oft Nebel gibt, die so dicht sind, daß man nicht zehn Schritte weit gehen kann. Eine derartig mit Wasserdampf übersättigte Luft wird natürlich Gehörtäuschungen schwerster Art verursachen.

Hier hat man die drahtlose Telegraphie zu verwenden gewußt. Mit ihrer Hilfe kann man von einem entsprechend ausgerüsteten (und natürlich auch Signale gebenden) Schiff mit Hilfe des Peilrahmens die Richtung, in welcher das gebende Schiff liegt, feststellen.

Der immer rege Menschengeist hat aber ein weites Kaustisches Signal erfunden, das auch bei Nebel nicht versagt: das Unterwasserschallsignal. Den Bau der Unterwasseranlage müssen wir hier als zu weitgehend fortlassen. Nur soviel sei gesagt: An beiden Seiten des Schiffes befindet sich ein – Ohr, d.h. Mikrophon, abgestimmt auf einen bestimmten Ton und jedes mit einer dem Radiogerät ähnlichen Hörereinrichtung verbunden: der Schallempfänger. Die Schallgeberanlage besteht aus einer eigenartig geformten Glocke, die im Wasser hängt. Mit kurzen und langen Glockenschlägen kann nun einfach „gemorst“ werden. Die beiderseits angebrachten Mikrophone geben die Töne verschieden stark wieder, je nach der Richtung, aus der sie kommen, so daß damit ohne weiteres die Richtung des schallgebenden Schiffes erkennbar wird. Man hat mit dieser Einrichtung schon Verständigung auf Entfernung bis zu fünfzehn Seemeilen (je 1852 Meter) erzielt.

Mit dem starken Rückgang der Segelschiffahrt hat die Dampfpfeiffe – auf See meist Sirene genannt – außer als Nebelsignal noch weitere Verwendung im Signaldienst gefunden. Auch hier könnte „gemorst“ werden, es ist aber überflüssig, weil es wohl kaum einen Dampfer ohne Funkeinrichtung gibt, außerdem geht das Funken wesentlich schneller als das Ankündigen mit der schwer ansprechbaren Sirene eines Ozeandampfers. So hat man nur ganz bestimmte Pfeifensignale eingeführt: z.B. ein kurzer Ton: „Ich weiche rechts aus“, zwei kurze Töne: „Ich weiche links aus“, drei kurze Töne: „Ich gehe volle Kraft rückwärts.“ Ein langer Ton: „Achtung“. Fünf kurze Töne: „Ich wünsche Zollabfertigung“. Das Pfeiffsignal: -...- bedeutet: „Ich verlange Lotsen“. Besonders zwischen dem Schleppdampfer und seinem geschleppten Schiff ist die Dampfpfeife als Hauptverständigungsmittel üblich.

Als neuzeitliches Signalmittel darf wohl die drahtlose Telegraphie angesehen werden; sie hat nur den Nachteil, daß zu ihrem Betriebe eine Stromquelle gehört, die nicht auf jedem Schiffe angebracht werden kann. Ferne verlangt sie mindestens einen ausgebildeten Funker zur Bedienung.

Dabei möchte ich gleich ein Märchen zerstören. Das allgemein bekannte funkentelegraphische Notsignal heißt SOS. Es sieht im Morsezeichen so aus:

... - - - ... Poetische Gemüter geben ihm die Deutung: „Rette unsere Seelen“ („Save Our Souls“). Das ist Unsinn. Man hat diese Buchstaben gewählt, weil jeder aus drei gleichartigen Grundzeichen besteht, so daß auch dem aufgeregtesten Funker damit kaum ein Fehler geschehen dürfte, und außerdem (die Funksignale auf See werden abgehört) ist das fortwährende Wiederauftreten dieser dreiteiligen Zeichen so nervenaufpeitschend, daß der dickfälligste Hörer sie nicht überhören wird. Man versuche einmal nur eine Minute lang ... - - - ... auf den Tisch zu klopfen.

Für alle Möglichkeiten, die zwischen Schiff und Schiff oder Schiff und Küste auftreten können, ist also nach menschlichem Ermessen vorgesorgt. Aber bei der immer mehr zunehmenden Größe und dem weitläufigen Bau der Seeschiffe ist auch innerhalb des Fahrzeuges ein wohldurchdachter Signaldienst nötig, der den glatten Ablauf des täglich Notwendigen sicherstellt.

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